Zu den Teilen 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7– 8
Einleitung
Über drei Jahren sprechen wir schon von dieser Reise. Ursprünglich mal mit dem Motorrad geplant, einmal als Rundreise mit täglich wechselnden Übernachtungen, dann mit drei Stützpunkten oder auch mal ganz anders mit einem Wohnmobil. Als jedoch noch ein komplettes Rauchverbot auf öffentlichen Plätzen im Raum stand, hatte sich die Idee schon fast in Rauch aufgelöst.
Letzten Winter bekamen wir dann ein Angebot von unserem Lieblingsreiseveranstalter mit genau der Tour, die wir uns vorgestellt hatten. Ein paar kleine Änderungen und drei Monate später stand die Reise fest. Eine Nordspanientour, die bei Mitteleuropäern eher selten im Fokus steht. Nur, wie kommt man auf die Idee?
Hinweis: Die Texte wurden von ein und derselben Person geschrieben. Der Unterschied besteht darin, dass zwischen den Texten 35 Jahre Abstand besteht. Der ältere Teil ist in Kursiv gehalten und wurde nachträglich rekonstruiert.
Mir fällt nichts ein, aber wo könnte man denn hinfahren? Alleine Reisen ist irgendwie doof, gar nicht Reisen ist auch keine Wahl. Einmal um komplett Europa zu fahren, das hätte was. Holland ist bekannt, Norwegen, Teile von Schweden und Finnland bis zur sowjetischen Grenze sind schon abgehakt. Der Osten wird durch die DDR und den eisernen Vorhang vermiest, wenn auch Ungarn sich langsam öffnet. Einiges in Norditalien ist bekannt, Provence rund um die Ardèche sind abgegrast, irgendwas anderes muss her. Spanien und Portugal sind aber blanke Flecken. Schnell den Diercke Atlas heraus gegraben und mal eine Strecke entworfen. Zwei Wochen, mehr gibt weder das Zeitbudget noch die Monetensituation des Studenten her. Der Beschluss ist schnell gefasst, Nordspanien und etwas Portugal müssen herhalten. So viel Küste wie möglich, Städte sind zu meiden.
Der rattenschnelle 54 Diesel-PS-Kombi wird mit den wichtigsten Utensilien gepackt: Schlafsack, Eurochecks, eine Straßenkarten, den Perso und jede Menge Unwissenheit finden Platz, es geht los.
Dienstag Beaune
Früh morgens klingelt der Wecker den ersten Tag des Urlaubs an. Gepackt wurde tags zuvor, noch schnell alles im Auto verstaut.
Über die Autobahn, wir wollen schnell KM machen, geht es in Richtung Frankreich. Der Tag ist trübe, wir hoffen gegen Nachmittag etwas besseres Wetter zu bekommen. Ziel der ersten Etappe ist Beaune, ein schönes Städtchen in der Nähe von Dijon. Vor 7 Jahren waren wir schon mal da, eine Senffabrik hatte es uns angetan.
Die erste Bewährungsprobe auf dieser Reise ist unsere neue graue Maus, die die Schranken an den Mautstationen automatisch öffnen soll. Wir verlassen also südlich von Freiburg die Heimat, es geht über den Rhein und Frankreich empfängt uns im schönen grau. Die erste Mautstation erscheint, wir nehmen die Rapid-Spur und fahren mit den angegebenen 30 kM/h in die Spur. Kein Pieps ertönt. Schnell abbremsen, bevor die Schranke unschöne Spuren im Lack der Motorhaube hinterlässt. Etwas zurückfahren, das ersehnte Signal ertönt und die Schranke macht den Weg frei. Ab nun immer in Richtung Westen. Die Strecke selber ist ja nicht unbekannt, also den Limiter auf 130 setzen und wie in Trance durchfahren. Irgendwie sind wir in eine Zeitmaschine gekommen, denn auf einmal sollen wir eine Stunde früher ankommen. Bei einer kurzen Pause, es gibt Brote aus der Heimat, wird das Mysterium gelöst: Das GPS ist der Meinung, dass es eine Stunde früher ist. Durch Umschalten auf manuelle Uhrzeit entkommen wir der Zeitmaschine.
Mit jeder Stunde wird es im Himmel langsam heller und als wir Beaune erreichen, scheint die Sonne durch.
Schnell noch durch die Mautschranke, so richtig wohl ist uns nicht, aber sie öffnet sich, geht es in die Stadt. Beim letzten Mal hatte es fürchterlich damals im November geregnet und viel von der Stadt gesehen hatten wir nicht. Diesmal empfängt uns aber die Innenstadt mit einem tollen blauen Himmel. Kurz den Supermarkt geentert, wir wollen an dem Abend ein französisches Vesper einnehmen, und das Hotel aufgesucht. Alles wird verstaut und ein erster Rundgang durch die Innenstadt wird jäh durch einen Aufenthalt in einer Brasserie unterbrochen. Ein Crémant in zartrosa muss einfach sein. Hier ist irgendwie noch richtig Urlaubsstimmung bei den Leuten zu erkennen, es wird geredet und genossen. Eine Markthalle und jede Menge kleine Gassen erfreuen unseren wieder aufgenommenen Rundgang.
Nach dem Vesper im Hotelzimmer geht es wieder in das Städtchen.
Mittlerweile ist es dunkel geworden und meine Dame neben mir möchte einen Ricard – was sofort umgesetzt wird. Etwas später fallen wir ins Bett und beschließen, auf dem Rückweg nochmal kurz vorbei zu kommen. Es sind Vorräte, die zu ersetzen sind.
Von Stuttgart aus über die Autobahn direkt bei Baden-Baden nach Frankreich. Die Grenzer winken mich durch, wie ich Grenzstationen hasse. Um Autobahngebühren zu sparen wird die RN (Route National) gewählt, die kaum langsamer sind als die Autobahn selber. Immer in Richtung Westen mit den Zwischenzielen Nancy, Troyes und Orleans wird der Diesel getrieben, die 90 Km/h werden immer großzügig ausgereizt. Denn 110 kann die Schüssel locker ohne zu explodieren. Irgendwo zwischen Deutschland und französischer Atlantikküste, genauer Beaugency, wird eine Camping Municipal (Bienvenue sur le site Camping Beaugency) angesteuert. Bevor es komplett dunkel wird, ist die Übernachtungsstätte vorzubereiten. Heißt Sitzbank umklappen, Werkzeugkiste zur Seite geschoben, habe ja keine Garage zu Hause, und den guten Daunen-Schlafsack entfaltet. Gegessen hatte ich unterwegs in einer Café-Bar, nix dolles, aber es macht satt. Aber die Müdigkeit schlug schnell zu, gute Nacht.
Mittwoch Bordeaux
Früh am Morgen, 7:30h aufstehen ist nicht unsere Zeit, geht es nach dem Hübsch machen zum Frühstück. Immer wieder schön, wenn man die Menschen um einen herum nicht versteht – wäre da nicht eine Truppe Deutscher, die auf den Bus müssen und lauthals nerven. Nach dem Check-Out noch kurz in die Stadt und einen guten Bäcker überfallen. Wir haben noch Reste vom Abend (Terrine und Käse), die wir unterwegs vertilgen wollen.
Ab auf die Autobahn in Richtung Lyon, um dann kurze Zeit später in Richtung Bordeaux abzuzweigen. Und hier ereilt und dann doch noch das Schrankendrama, d.h. sie bleibt zu. Mit der Maus fuchtelnd lässt sich diese aber doch noch erweichen und mit einem Piep schwenkt sie hoch. Leichter Schweiß auf der Stirn, entweder ist die neue graue Maus nicht stark genug oder die französischen Sender wollen eine ganz spezielle Position haben. Kurze Zeit später nehmen wir neue Schilder wahr, ich hatte dazu schon etwas gelesen: Schrankenlose Straßen, der Schweiß ist wieder auf der Stirn. Alle paar Kilometer kommt eine Brücke, die die Fahrzeuge erfasst. In der einen Hand das Lenkrad, in der anderen Hand die Maus, wobei eben diese Hand versucht eine gute Signalstelle zu finden. So wird das nichts, wir wollen eh Pause machen und verlassen die Route auf einen großen Parkplatz. Dort ist es sehr windig, der Himmel ist grau, dafür schön kalt. Ich fummel den Kleber frei und bab die graue Maus unter den Spiegel.
Das gute Baguette wird mit den gestrigen Resten gerne gegessen, Frankreich macht schon Spaß. Weiter nach Bordeaux, heute ist Reisetag. Die Stadt ist groß, die Möglichkeit sich zu verfahren ist immer gegeben, aber wir finden das Hotel. Beim Einchecken wird uns mitgeteilt, dass wir das Parkhaus gegenüber nutzen können. Wobei der Name Parkhaus eine recht genaue Beschreibung der vorhandenen Situation wiedergibt. Die unteren zwei Etagen sind Geschäfte und Büros, auf dem Dach wird geparkt. Dazu einmal in die eine Richtung fahren, den Eingang kam man aber nur durch Zufall finden, eine Spirale hochfahren und dann wieder in Richtung Hotel zurückfahren. Wir wollen ja das Gepäck nicht zu weit schleppen. Zwischen den Häusern, ich vergaß zu erwähnen, dass es sich um 5 Parkhäuser handelt, führt jeweils eine schmale Brücke zum nächsten Haus. Auf der richtigen Höhe angekommen, Fahrzeug parken und wieder zwei Etagen runter, über die Straße und fünf Etagen wieder rauf, wobei die letzte nur per Treppe erreichbar ist. Fertig mit der Welt öffnen wir das Zimmer – und alles ist vergessen. Was für ein Raum, oben auf dem Dach mit einem kleinen Balkon können wir uns Bordeaux ansehen. Wenn nun noch die Sonne scheinen würde.
Alles abgeworfen und runter zum Fluss, wir haben Hunger. Auf dem Rückweg noch den Supermarkt geentert und nochmal für ein Vesper eingekauft, die obligatorische Flasche Wein muss einfach sein.
Es ist Dunkel und wir wollen mal schauen, ob wir mittwochs Abend noch irgendwo hinkönnen. Nicht weit weg vom Hotel ist eine Bar, die auch Außenbestuhlung, besser Außentische hat – Und jede Menge Menschen. Wir gehen dorthin, eine junge Frau erklärt uns schnell, wo – was – wie zu haben ist. Das Alter hat eben auch seine Vorteile. Jüngere Menschen werden ohne Einweisung begrüßt.
Musik ist Klasse, alles 70er und 80er der besseren Sorte. Spät, wirklich spät – ein Chansons beendet den Barbetrieb – geht es zurück, wir müssen ins Bett.
Ein wunderschöner Morgen erwartet den erwachenden Reisenden. Ein Croissant und den Versuch, einen normalen Kaffee zu bekommen (Grandes Café Noir), der nicht mit Milch verdünnt wird, bekommt das müde Gesicht irgendwie hin. Der Blick in den blauen Himmel, ein weiterer auf die Straßenkarte und das schlechte Gewissen, nichts „Vernünftiges“ im Urlaub zu unternehmen, bringen einen Kompromiss zu Tage: In der Nähe ist das Schloß Blois. Schlafsack verstaut, Sitzbank umgeklappt und ab zum Schloß. OK, zuvor noch schnell die 12,50 Francs für den Schlafplatz bezahlen, nehmen ja keine Eurochecks.
Das Teil ist richtig groß, dekadent und immer wieder einen Besuch wert. Für mich eines der schönsten Schlösser an der Loire. Hier ist mal eine Motorradfahrt fällig, aber vielleicht nicht auf einem Campingplatz.
So, genug der Kunst und Kultur, das Meer wartet. Über Tours und Poitiers geht es in Richtung La Rochelle. Und von dort aus in Richtung Bordeaux. Der Diesel dröhnt, die nationalen Sender spielen französische Songs, vieles gar nicht so schlecht. Warum werden die bei uns nicht gespielt? Deutsche Lieder? Oh ne, lass mal.
Ein Wegweiser am Straßenrand zeigt mir das Ziel: La Mer, endlich Wasser. Eigentlich hatte der tapfere Dieseltreiber gehofft, dass die Strecke immer direkt am Meer entlang geht, ist aber nicht. Die Stichstraße wird in Richtung Düne genommen und die Sonne des späten Nachmittags gibt ein wunderbares Licht. Kurz Inne halten – kann man hier nicht bleiben?
Es wird ein kleiner Campingplatz angesteuert, die KM zollen ihren Tribut. Ein kleines Essen (was um alles in der Welt kann man eigentlich ganz normal in diesem Land bestellen? Alles so fürchterlich kompliziert) und die Rückbank umgeklappt.