35 Jahre später – Nordspanien 2024 mit Flashback Teil 2

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Donnerstag Bilbao

Das Frühstück ist gut, wir verlassen das tolle Zimmer und ich parke Isabella am Hotelausgang mit den Taschen ab. Nochmal mit dem Gerödel auf das Parkdach muss nicht sein. Schnell mit dem Auto wieder über die Dächer gefahren um am Ende, an dem ich den Ausgang wähnte, zu erkennen, dass nur in entgegengesetzter Richtung es vom Dach wieder runter auf die Straße geht. Kommando zurück, nochmal alle Dächer abfahrend den Ausgang suchend. Glück gehabt, kann ohne großes Manövrieren in der Nähe vom Hotel halb illegal parken.

Alles eingepackt geht es nun weiter in Richtung Süden – aber das Navi hat mit uns eine Sightseeingtour entlang der Garrone in Bordeaux vorgesehen. So mit dem Morgenverkehr macht es richtig Spaß, die ein oder andere kleinere Baustelle inklusive Umfahrung macht die Streckenführung nochmal spannender. Schnell noch getankt – ist dann doch nicht. Meine Kreditkarte wird nicht akzeptiert. Die Girokarte mit dem Maestrosymbol geht dann doch.

Es Piept, die Schranke an der Mautstation geht auf, das Gaspedal wird stärker belastet. Wettertechnisch kommt immer wieder die Sonne durch. Wie ich es noch in Erinnerung habe, kann man das Meer nur erahnen, die Strecke führt zu weit parallel im Landesinneren entlang. Ein kurzer, kalter, aber sonniger Stopp zum Strecken der Glieder reicht zum auftanken, nächster Stopp wird in Spanien erfolgen.

Nochmal ein Piep in Frankreich und kurz danach überqueren wir die Grenze. Ein wildes Geschlängel der Autobahn führt zur ersten Mautstation in Spanien. Vor uns in der Spur wird wild gehupt, dann versucht das vorderste Auto rückwärts zurück zu rollen. Der nachfolgende Fahrer ist nicht erbaut, muss auch zurück und wir wiederum versuchen unserem Heckfahrer die Prozedur zu erklären. Nachdem auch unser Vordermann nicht durch die Schranke kommt – wir hatten so was vermutet und schon etwas Platz gelassen, heißt es nun in eine andere Schlange einzufädeln. Aber das ist gar nicht so einfach, weil … Irgendwie kommen wir quer zu allen anderen Fahrzeugen nochmals an eine Schranke für die elektronische Bezahlung. Es piept bekanntermaßen und die erste spanische Hürde, besser Schranke ist genommen.

Einen kurzen Stopp später geht es auf die Zielgerade nach Bilbao. Der Wetterbericht spricht von keiner Gefährdung durch zu viel Sonneneinstrahlung. So bringt uns das Navi zielsicher zum Hotel – wenn nicht der Fahrer die Hotelsperrfläche zu Be- und Entladen verfehlt hätte. An der nächsten Einmündung später anhalten, den Warnblinker gesetzt, kurz auf eine größere Lücke gewartet, um dann rückwärts um die parkenden Autos herum zum Hotel zurück zu fahren. Nochmal um den Häuserblock herum kam nicht in Frage, die vielen Einbahnstraßen sprachen dagegen.

Nach dem Check-In und dem obligatorischen Parken in einer Tiefgarage nochmals ein paar Straßenecken weiter, wie immer alles sehr eng, geht es nach draußen vor das Hotel. Es fängt an zu tröpfeln, und so beschließen wir, es mit Kunst und Kultur den Tag zu begehen. Das Hotel liegt in Wurfweite vom Guggenheim Museum, wir überqueren die monumentale Stahlseilbrücke über den Fluss Nervion und begeben uns in Richtung Museum. Der Regen macht seinem Namen alle Ehre und so retten wir uns in dem Gebäude, das freundlicherweise überdacht ist.

Auf jeden Fall auch bei Sonnenschein eine Empfehlung, das Gebäude ist absolut Klasse. Die feste Ausstellung mit den aufgestellten Stahlplatten im Eingangsbereich ist sehr imposant. Die oberen Etagen sind den wechselnden Ausstellungen gewidmet, uns haben vor allem die Werke des Japaners Yoshitomo Nara sehr gut gefallen.

 

Zurück ins Hotel, Klamotten gewechselt, nun ist die Kulinarik zu bedienen. Wir kennen ja die Tapas, die hier oben im Norden Pinchos heißen und wollen uns vor allem damit den Gaumen bedienen. Und dazu eignet sich fast immer ein Gang in die Markthalle.

Dort angekommen werden gleich mal vier Stück organisiert, etwas Wein dazu und ein Tisch mit Hockern ergattert. Sind ganz gut, kennen aber besseres – man will aber nicht klagen. Wir beschließen die Innenstadt zu erkunden und irren wahllos durch die Gassen, immer auf eine Eingebung wartend.

Dann kommt das, was man Zufall nennt. Zwischen den Häusern an einem Platz (Plaza Nueva) reihen sich die Bars rund um den Platz aneinander an. Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus, eine besser als die andere. Wir entscheiden uns für eine der Bars, nennen dem Wirt unserem Wunsch nach einem roten Wein und sitzen glückselig inmitten des Getümmels der Bar. Es ist laut, es geht hoch her und die Menschen kommen und gehen, mal um sich das Essen in der Theke anzusehen, mal um ein Bier mit raus zunehmen, mal einfach so.

Völlig beseelt, so haben wir uns das vorgestellt, geht es dann doch sehr müde wieder in Richtung Hotel, der erste Tag in Spanien war schon ein voller Erfolg. Ach ja, es hat aufgehört zu regnen, war auch so geplant.


Es wird in dem Kombi sehr schnell morgens hell, aber auch die Kälte, trotz Dauenschlafsack, weckt den Urlauber unerbittlich. Ausschlafen hätte was, aber habe es ja nicht anders gewollt. Im März kann es doch noch recht kühl in der Nacht sein.

Das Wetter ist grau und dem Studenten graut es vor dem Frühstück: Wie macht man dem Personal hinter dem Tresen klar, dass die Bestellung ein ganz normaler großer Kaffee mit wenig Zucker sein soll? Kein Espresso, kein Café au Lait, kein Schnick, einfach nur Kaffee. Die Croissants entschädigen alles, was aus dem Kaffeetopf tröpfelt. 5 Jahre Französisch in der Schule und hängen geblieben sind so Wortfetzen wie „Plein“, wenn der Tankwart fragt, wie viel Sprit in den Tank soll. Dann eben nicht.

Die spanische Grenze ist nicht mehr weit und man hofft, dass die Grenzer wohlgesonnen sind. Sind sie, der gewöhnungsbedürftige sandfarbende Kombi wird durchgewunken. Kurz nach der Grenze gleich mal den obligatorischen Tausch der Währung im Geldbeutel, die französischen Francs wandern in eine weitere kleine Plastiktüte neben dem deutschen Geld. Nerv.

Nochmal Nerv, denn von oben kommt so ein feuchtes etwas runter. ICH BIN DOCH IM URLAUB, und in Spanien soll doch immer die Sonne scheinen. Hier oben in Norden wohl eher nicht. Fehlplanung? Mal sehen.

Nächster Stopp ist San Sebastian. Warum ich mich unbedingt im Urlaub in Gefahr bringen will, so die Frage der Freunde, als das Ziel bekannt wurde. Ist ja ab hier das ETA-Gebiet. Und Baskenland. Dabei dachte ich immer, das wäre in Frankreich. Also die mit den schiefen Mützen. OK, beides wohl richtig. Ab und an sieht man Schilder, die wenig auf Spanien hinweisen. Und Parolen, die wiederum in Spanisch. Verstehe, wer will, mir soll es recht sein. Wo waren wir? Richtig, San Sebastian. Ich fahre, wie war das mit dem Meer, gleich den Hafen an. Jede Menge Fischerboote, die wohl am Morgen von ihrem Fang zurückgekommen sind, liegen im Hafen. Bei blauem Himmel sicherlich ein toller Anblick, so aber auch ganz nett.

San Sebastian schenke ich mir, Städte sollten ja vermieden werden. Die Umgehungsstraße entlang geht es ab jetzt in Richtung Westen. Und gleich nach der Stadt verzaubert die Kulisse den Reisenden. Links die Berge, rechts das Meer (also so richtig, ohne störende Bäume oder Dünen wie in Frankreich). Immer wieder raus ans Wasser, überall kommt man hin. Wäre es nicht so nass, wäre eine kleine Wanderung am Wasser sicherlich Klasse. Weiter den Weg entlang, die Berge haben mit meinem Spanien, dass ich so im Kopf hatte, nichts zu tun. Es sieht eher nach Alpen aus. Gut Alpen mit Meeranbindung – Perfekt. In den Bergen hängt der Nebel, auf dem Meer die Gischt. Die Städte haben teilweise das Flair von Zweckbauten, dazwischen schöne Kirchbauten.

Bilbao und Santander „links liegen“ gelassen ist der nächste Übernachtungsstopp in der Nähe von Llanes (Inicio – Caravaning Oyambre en Cantabria). Fahrzeug abgeparkt und für die Nacht vorbereitet, d.h. die Sitzbank umgeklappt und den Schlafsack ausgerollt. Es ist mittlerweile trocken und ein kurzer Spaziergang noch schnell zum Wasser – bin ich Wassersüchtig? Zurück am Platz noch schnell etwas zu Essen bestellt. Geht hier in Spanien super gut. Mein Spanisch ist nicht vorhanden, aber das Essen wird in einer Vitrine am Tresen präsentiert, wie Kuchen beim Bäcker. Nur drauf zeigen. Die gesprochenen Worte identifiziere ich in Richtig „soll das Essen warm gemacht werden?“. Ich nicke mal und bekommen einen dampfenden Teller gereicht. Wein, weiss, auch kein Problem. Vino blanco bekommt selbst ein Sprach-Legastheniker wie ich hin. Völlig zufrieden mit der Welt wird der Kombi angezielt, schnell erschlägt die Müdigkeit.


Freitag Santander

Es geht nun endgültig ans Wasser, d.h. von Bilbao aus, nachdem das Auto kunstvoll aus der Tiefgarage befreit wurde, fahren wir auf direktem Wege an die Nordküste. Nicht, ohne nochmal am Museum vorbei zu fahren.

Das Wetter klart richtig auf, die Sonne kommt von hinten, alles wird wunderbar angeleuchtet. Erster Stopp ist ein Schild mit dem Pilgerzeichen – wir fahren die kleinen Straßen ab. Ab und an sehen wir diese Pilger, damals hatte ich keine wahrgenommen. Aber an der Straße entlang zu laufen, wäre nicht so mein Ding. Aber ein Schild fällt mir sofort wieder auf: f.f.c.c. Oviedo-Santander, die alte Verbindungsstrecke. Es verfolgt uns noch mehrfach.


Die Erinnerung kommt wieder, links die Berge, rechts das Meer, unter uns jede Menge enge Kurvenstrecke. Ich kann den Klang des alten Diesels wieder hören, wie der sich durch die Straßen quälte. Dennoch fahren wir wieder auf die Autobahn, denn von dort aus, diese liegt höher als die Landstraße, kann man Berge und Meer viel besser sehen. Nochmal runter wieder zurück auf die Landstraße, wir müssen einfach an der Küste entlangfahren.

Wir kommen von oben in eine Stadt und wollen uns kurz ein Bild von Stadt und Meer machen. Die Tür geht auf und ein Schwall an Menschenlärm empfängt uns. In der Stadt muss eine Großveranstaltung sein. Um was es geht, lässt sich nicht erkennen.


Weiter geht es am Atlantik entlang.

In Santander angekommen, wir sind etwas zu früh dran, um einzuchecken, nehmen wir noch den äußersten Zipfel Parc de Magdalena als Ziel. Das Wetter zieht aber zu, es nieselt etwas.

So ziehen wir uns zurück an eine Strandbar und genießen ein kleines Bier im Stehen. Ab zum Hotel, die Zimmer sind noch nicht beziehbar, aber die Taschen können abgegeben werden. Das Parkhaus ist diesmal deutlich weiter weg, das Auto ist versteckt und wir laufen bei bestem blauen Himmel in Richtung Wasser. Die freundliche Dame am Hotelempfang hatte uns ein paar Empfehlungen mitgegeben. Und es wird richtig heiß, der Planet brät, was das Zeug hält. Die erste Empfehlung ist schon mal richtig gut, die Pinchos werden auf einer Riesen Theke wie Schmuckstücke präsentiert. Wenn da nicht das Problem mit der Entscheidung wäre – nicht, dass man etwas verpasst. Ein schöner und richtig kalter Weißwein dazu, das Leben ist perfekt. Neben uns die Straße, auf der anderen Seite die Menschen, die vorbeigehen und ein Stimmengewirr, fantastisch.

Schnell ins Hotel, das Zimmer beziehen und der überflüssigen Klamotten entledigen. Wieder ans Wasser, dann quer durch die Straßen der Altstadt, nur nichts vornehmen, wir wollen ja Urlaub machen. Können wir uns für etwas entscheiden? Nö, also weiterlaufen. Dann durch die Markthalle, aber wir müssen feststellen, dass das Essen in den Bars besser aussieht und wir wohl die Markthallen in Zukunft meiden werden.

Es ist Freitag und normalerweise begehen wir gegen Abend das Einläuten des Wochenendes. Warum nicht auch mal hier. Wir nehmen uns den lautesten Platz, direkt in der Nähe einer Bushaltestelle, hinter uns das Meer und besetzten einen Tisch. Am Nebentisch sitzen ein paar alte Damen und reden, was das Zeug hält. Es ist bewundernswert, dass selbst im hohen Alter hier die Menschen sich noch in Bars treffen und miteinander reden und genießen. Wir nehmen uns zwei Cava, welche mit 2 Euro pro Glas in Rechnung gestellt werden. Dafür wurde eine frische Flasche geöffnet, wir sind sprachlos. Ach ja, bezahlen: Nahezu alles wird hier per Karte bezahlt, und sei der Betrag noch so klein. Manchmal steht sogar dran, dass es die bevorzugte Bezahlart ist.

Das Glas ist aber auch irgendwann leer, wir wiederholen den Spaß an zweiter Stelle auf dem Weg ins Hotel. Schnell die Abend-Garderobe übergezogen, was sich durch eine zusätzliche Jacke auszeichnet, und wieder rein ins Getümmel.

Die nächste Empfehlung bringt uns in eine Bar mit sehr jugendlichen Menschen hinter dem Tresen, das Volk davor entspricht jeder Alterskategorie. Eine irre Variation an Pinchos wird am Tresen aufgetischt. Wieder die Entscheidungen, jeder Teil ein bisschen besser als das andere. So verbringen wir wie angewurzelt in der Bar den Abend, machen heute aber eine Ausnahme: Mit jeder Weinbestellung wird ein anderer Wein ausgesucht. Und mit jeder Bestellung wird der Wein nochmals besser. Wir merken uns die letzten beiden Weine – so hoffen wir, diese nochmal zu bekommen.

Auf dem Rückweg soll es noch ein kleiner, für uns bekannter Brandy den Weg verkürzen. Gar nicht so einfach, wir bekommen den richtigen erst in der fünften Bar. Es wird Zeit die Horizontale anzustreben.


Die Sonne scheint. Wirklich die Sonne und nicht die Taschenlampe des Nachtpersonals, die in die Autos schauen? Nein, es ist die Sonne. Die scheint es in Spanien doch zu geben. Gut, man muss schon genau hinsehen. Egal, schnell die 550 Pesos bezahlt und auf die f.f.c.c. Oviedo-Santander. Warum die Straße in die falsche Richtung zeigt, erschließt sich dem Techniker nicht, denn es wird in die genau andere Richtung gefahren. Gut, in Frankreich zeigen auch alle Straßen nach Paris, aber wenigstens ohne die Quellstadt anzugeben.

Es geht in Richtung Ribadeo, eine große Brücke spannt über den Fluß, der im Meer mündet. Ab hier beginnen wunderschöne Strände, die alle angefahren werden können. Kein Zaun hindert daran und dank der frühen Jahreszeit kaum jemand unterwegs.

Nächstes große Ziel der Tagesetappe wird A Coruna. Eigentlich sollte ein Campingplatz so langsam aufkreuzen, einen Campingführer wurde aus finanziellen Gründen – außerdem ist man ja selber groß – nicht mitgenommen. Ist aber keiner zu sehen bzw. noch geschlossen. Ein Tramper steht an der Straße, das Auto hält. Es herrscht etwas Verkehr, d.h. dem Tramper wird das Zeichen des schnellen Einstiegs gegeben. Ein Small-Talk entsteht, d.h. eigentlich ein Monolog. OK, ich bekenne Farbe und versuche auf Englisch mich verständlich zu machen. Ein Alleman, er kann es nicht glauben. Beim nächsten Staustopp, wir fahren auf A Coruna zu, spurtet er kurz aus dem Auto und steigt mit der Bestätigung, dass die Kiste wirklich ein deutsches Kennzeichen hat, erstaunt wieder ein. Das hätte er nicht erwartet. Wir kommen sehr nett ins Gespräch, ich frage höflich, was er von den Deutschen so hält, was mit einer ablehnenden Geste abgetan wird. Die kommen mit dem Rucksack und ohne Geld, aber ohne Scheu, bei den Leuten zu betteln. Drum das erstaunte Gesicht, dass ich angehalten habe. Den Rucksack hinter meinem Sitz hat er hoffentlich nicht gesehen. Ich fahre den Menschen bis vor seine Haustür und er lädt mich zu einem Kaffee ein. Ich lass den Rucksack nur ungerne im Auto, will aber die Stimmung nicht versauen. Seine Mutter öffnet mit kritischem Blick, die Erklärung, dass ich ein Deutscher bin, macht die Sache nicht einfacher. Dann aber entspannt sich ihr Gesicht – ich bin gerne gesehen. Glück gehabt.

Raus aus der Stadt, aber weit und breit kein Campingplatz zu sehen. Ist einfach zu früh im Jahr. Es wird dunkel und ich kann es kaum glauben: Da ist einer, auch noch beleuchtet – aber eben nicht offen. Bzw. nicht mehr offen, da über Nacht die Schranken geschlossen bleiben und das Pförtnerhäuschen leer beleibt. Weiterfahren ist keine Option, gegenüber der Einfahrt parke ich unter einem Baum. Gute Nacht, heute kein Abendessen.

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