35 Jahre später – Nordspanien 2024 mit Flashback Teil 4

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Montag Santiago de Compostella

Früh am Morgen ist es wie am Tag zuvor richtig neblig, nach dem Frühstück geht es per Autobahn schnell in Richtung Küste. Auf halben Weg entfleucht der Nebel, es wird wieder ein blauer Himmel mit warmen Temperaturen. Es geht in Richtung Salinas und weiter nach Ribadeo. Über Ria de Ribadeo führt eine große Brücke, gleich danach geht es auf einem kleinen Weg zu Faro de Ribadeo, einem sehr schönen Aussichtspunkt. Über eine kleine Brücke kommt man an den Leuchtturm, der auf einer kleinen Miniinsel steht. Daneben gibt es eine Unterkunft, die wohl gemietet werden kann. Ist dann definitiv ein Stück Luxus, hier zu übernachten.

Es folgen weitere kleine Straßen, von denen nicht ganz klar ist, ob die befahren werden dürfen, von einem Strand zum nächsten. Die Sandstrände sind einfach wunderschön, vor allen sind sie fast alle leer. Nur an den in den Reiseführern ausgeschriebenen besonderen Stränden muss mit Wartezeit und chaotischen Parkverhältnissen gerechnet werden. Wir meiden diese.

Es ist Mittag und in der nächsten großen Stadt wird eine kleine Bar angefahren. Es ist so eine typische Bar mit Getränken, zu denen kleinere Speisen dazugestellt werden. Der Sprache nicht mächtig versuchen wir die bezahlten Getränke auch zu erhalten. Nachdem eine Bedienung den Knoten gelöst hat – man war der Meinung, wir hätten unsere Getränke schon vertilgt – entschuldigt man sich und wir bekommen jeweils einen wunderbaren Hühnerflügel zum Bier. Glückselig genießen wir die Sonne an unserem schattigen Platz.

Heute kommen wir zu unserem skurrilsten Hotel. Es befindet sich in einer Shopping-Halle. Nachdem das Navi das Haus nicht gleich gefunden hatte, irrten wir etwas durch die Straßen – aber die Urlaubsmanagerin hatte mal wieder eine gute Nase und führte uns direkt vor das Hotel. Die etwas genervte Dame am Tresen, um uns herum eine Gruppe aufgeregter Pilger im Endstadium der Reise, buchte uns aber dann ein und ich bekam eine Beschreibung hin zur Tiefgarage. Die Straße entlang, am Kreisverkehr wenden und dann gleich rechts in die Tiefgarage. Aber nur in die spezielle für das Hotel, alle anderen sind nicht zu nutzen. Ab ins Auto, die Straße bis zum Ende heruntergefahren, um dann zu erkennen, dass es keinen Kreisverkehr gibt. Zurück, von der anderen Seite; das gleiche Ergebnis. Nochmal eine Seitenstraße rein, auch nix. OK, ich versuche es mal im Parkhaus vom Einkaufszentrum. Wir fahren runter und sehen vor uns: Einen Kreisverkehr, unterirdisch, der von drei Seiten angefahren werden kann. Einmal komplett herum, eine ganz dunkele Gasse führt tatsächlich zu einem Tor. Etwas irrend den Schlüsselschalter gefunden und die Tiefgarage öffnet sich. Parkplätze sind ausreichend groß, nur der Ausgang zum Hotel findet sich nicht gleich. Ich kürze mal ab: Eine Irrtour später waren wir, richtig geschafft, wieder im Hotel. Spruch neben mir: Finden wir das Auto eigentlich jemals wieder? Ja, behaupte ich und verlasse mich auf meinen Orientierungssinn, der sich im Finden der Tiefgarage schon bewährt hatte.

Es ist schwülwarm, wir wissen nicht, was wir an Klamotten mitnehmen sollen. Das Hotel liegt sehr nahe am Zentrum, aber ein paar Höhenmeter sind es schon. Ein Blick auf den Stadtplan, wir müssen in Richtung Süd-Westen laufen. Dort müsste sich die berühmte Kathedrale befinden. Tut sie auch, war keine echte Herausforderung. Aber die Stadt ist definitiv von dem Rummel Rund um die Pigler geprägt.

Und das leider nicht zu ihrem Vorteil. Die Sträßchen der Innenstadt sind wirklich toll, aber das Angebot ist vielfältig, nur so richtig ansprechen mag es uns nicht. An der Kathedrale selber gibt es mehrere Zugänge, die Preise sind aber schon heftig für eine Besichtigung. Im Nachgang mussten wir erfahren, dass der Zugang gebührenfrei ist, was die Preisaushänge bedeuteten, erschloss sich uns nicht. Pech gehabt.

Auf dem Vorplatz sehr viel Polizei, mir war die Gefährdungslage ausgehend von den Pilgern nicht bewusst, und jede Menge Menschen, die hier nun ihr Ziel erreicht hatten. Ich muss zugeben, dass ich in einigen Gesichtern „und nun, wie geht es weiter?“ ablesen konnte.

Am Ende der Altstadt nehmen wir in einem Restaurant draußen Platz und bestellen uns ein paar Kleinigkeiten. Es ist wirklich voll, ein Stimmengewirr beschäftigt die Ohren, wir lassen alles an uns vorbeiziehen. Leider muss eine Trommlergruppe so laut den immer wieder gleichen Rhythmus auf die Geräte einprügeln, dass wir weiterziehen. In einer kleinen Seitengasse nehmen wir noch zwei Gläser Wein ein. Es ist der definitiv schlechteste Wein auf der ganzen Fahrt – wir haben Santiago mit einem gemischten Gefühl kennengelernt. Es geht zurück zum Hotel.


Die Sonne scheint – muss man das eigentlich erwähnen? Der Hunger treibt, aber erstmal irgendwie Wasser ins Gesicht bekommen. Waschzeug gepackt und schnell an der Schranke vorbei ins Waschhäuschen. Wenn schon die Übernachtung verwehrt wird, soll wenigstens die Dusche genutzt werden. Das mit dem Bezahlen ist geschenkt – wie war das mit den Deutschen und deren Ansehen hier?

Alles verläuft ohne Probleme, schnell wieder auf die Straße. Ein Frühstück ist angesagt, an der Straße steht ein kleines Restaurant. Davor abgeparkt und rein an den Tresen. Leer, Mist, es herrscht Hunger. Der rettende Blick geht an das Regal hinter dem Tresen an die Rückwand: Oben stehen Tortenhauben, darunter können Teigstücke erkannt werden. Ich zeige dort hin, ein verblüffter Blick erwidert mein Begehren, es folgt ein nochmaliger Austausch der Order – und die Hauben werden geöffnet. Zwei wunderschöne Teile kommen auf den Teller und verschwinden in der Küche. Mein Kaffeewunsch wird auch erhört. Später erfahre ich, dass der kompliziert zu bestellende Kaffee in Spanien Café American heißt. Stimmengewirr aus der Küche, eine resolute Frau kommt aus der Küche, läuft zur Tür raus, kommt wieder rein und fragt dann in die Runde, wer denn der Deutsche ist. Und das mit einem klassisch guten Schweizer Dialekt. Ich bekenne mich im Rahmen der Anklage für schuldig. Nun wird alles aufgeklärt, denn die Hauben mit dem Teilen sind eigentlich für den Mittag bzw. Abend gedacht. Nennen sich Tapas, wieder was gelernt, und niemand, also wirklich niemand bestellt sich Tapas mit Thunfisch und Kaffee zum Frühstück. Und diesen ungewöhnlichen Menschen wollte sie auf jeden Fall kennenlernen. Auch der Schweizer Dialekt wurde aufgeklärt: Sie ist eine spanische Arbeitskraft, die in der Schweiz arbeitet und ab und an mal in ihre Heimat zu ihren Söhnen, also die hinter dem Tresen, kommt.

Es geht weiter, viele kleine Straßen entlang an der westlichen Atlantikküste. Die gemütlichen 54 PS, die da unter der Motorhaube werkeln, passen wunderbar zu den Straßen. Spanische Musik, nein, internationale Top-Ten-Pop mit spanischen Texten verbinden bekannte Melodien mit unbekannten, aber angenehmen Sprachfetzen.

In Camelle de Arriba geht es auf direktem Wege in den Hafen, noch besser, auf eine Mole. Es ist Mittag und ich habe unterwegs eine Kleinigkeit eingekauft. Das Auto wird fotogen auf der Mole platziert. Mit Kamera und Essen bewaffnet geht es ein paar Meter zurück, um ein gutes Motiv zu finden. Und um in aller Ruhe auf einer Bank oder Treppe das Mittagessen zu genießen. Hinter mir gibt es einen heftigen, derben Schlag. Als ich mich umdrehe schwant mir böses. Zu sehen, besser nicht zu sehen ist das Auto. Eine große Welle hat sich an der Kaimauer gebrochen und hat sich mit viel, sehr viel Wasser über die Mole verbreitet. Hat es das Auto weggeschossen? Ende vom Urlaub? Warum hast du nicht noch schnell ein Bild von der Naturgewalt gemacht? Durch die Gischt war das Auto nicht gleich sichtbar, aber erste Konturen schimmerten durch. War das Glasdach zu, die Scheiben oben? Salzwasser im Innenraum, war das nun besser als ein im Hafen versenktes Blechmobil? Zaghaft, dann schneller, noch ein Bild geschossen, das Desaster von der Nähe angesehen. Glasdach und Scheiben waren geschlossen, wie man es von einem guten Mitteleuropäer erwartet, auch die Tür war abgeschlossen. Aber die Salzkruste auf dem Lack war nicht zu übersehen. Kampfspuren, die den Rest des Urlaubs dranbleiben.

Der Rest des Tages verlief eher ruhig. Die Aussicht rechts der Straße entlang ist absolut bezaubernd. Und leer. Und warm. Warum weiterfahren? Weiter über Noia in Richtung O Grove. Der nächste Campingplatz hat offen (Glamping Galicia | Camping Muiñeira | O Grove | Pontevedra). Ein Platz sehr nah am Wasser, zweckmäßig. Ich kann wieder am Wasser ein paar Bilder schießen.


Dienstag Sanxenxon

Halbzeit, wir kommen heute an dem südwestlichsten Punkt der Reise an. Diesmal wird es kein Hotel, sondern ein Casa Rual. Es geht in Richtung Noia, um dann komplett an der Küste entlang in Richtung Ribeira zu fahren. Es ist ein wunderschöner, aber noch kühler Morgen. Etwas südlich von Noia verlassen wir den Weg und begeben uns direkt zum Strand. Beim Aussteigen fliegen uns fast die Haare vom Kopf, so windig ist es. Und so ist es wenig Verwunderlich, dass Kite-Surfer sich gerade bereit machen. Die Bilder lassen es so nicht richtig erahnen, aber wir müssen uns schon schwer gegen den Wind stellen. Aber die Aussicht ist definitiv super. Es wird eine sehr kurze Pause, zumal an spanischen Stränden ein Rauchverbot herrscht.

Schnell wieder in das kuschelige Auto und zurück auf die Straße. An die kann ich mich noch sehr gut erinnern, diese sehen immer noch so schön verschlafen aus wie vor 35 Jahren. Überhaupt hat die Westseite deutlich mehr Erinnerungen in Kopf hervorgeholt. Strand für Strand fahren wir die Landzunge entlang der Küste ab, um am Ende die zweite Landzunge ebenso in Richtung O Grove abzufahren. Unterwegs gibts immer wieder mal eine Unterbrechung am Wasser.

In Cambados wird ein Halt eingelegt, ein paar belegte Brötchen mit dem immer präsenten, sehr guten rohen Schinken finden den Weg in den Magen.


Weiter geht es zur Unterkunft, wie schon angesprochen diesmal kein Hotel. Vor mehreren Tagen bekamen wir schon eine Mail, dass wir das Navi nicht nehmen mögen, wenn wir den Weg zur Unterkunft finden wollen. Also erstmal den Startpunkt finden, was nicht ganz einfach ist, da der Fahrer mal wieder an der richtigen Abzweigung vorbeigefahren ist. Nur dass die Straße in Sanxenxon dann in die falsche Richtung geht, alles Einbahnstraßen sind und wir in einen großen Bogen wieder am Ortseingang sind. Zweiter Versuch, es gelingt deutlich besser, nun nur noch den endgültigen Startpunkt, ein Restaurant, finden. Finden wir auch, wenn auch an einer Stelle, die wir aus der Beschreibung nicht sofort identifiziert hatten. Ab da aber eigentlich dann recht einfach. Auf dem Grundstück angekommen, es ist wirklich sehr groß, werden wir sehr freundlich empfangen. Nachdem das Zimmer, sehr schön eingerichtet, bezogen wurde, zieht es uns an den Strand. Wir fahren ein Stück runter und ab in den heißen Sand. OK, Schwimmzeug vergessen, nochmal zurück und wieder an den Strand, diesmal an einer anderen, weit weniger besuchten Ecke. Ich lasse mich im Schatten nieder, die Dame an der Seite springt ins Wasser – kommt mit einem etwas erschütterten Gesicht zurück. Das Wasser ist doch noch recht frisch. Was sie dennoch nicht abhält, wieder ins Wasser zu gehen.

Wir fahren wieder zurück an die Unterkunft, hier wird nun der Swimmingpool ausgiebig getestet. Nach der äußeren Abkühlung erfolgt noch eine innere in Form eines schönen lokalen, sehr gute gekühltem Weißweines Albarino. Dazu ein paar Oliven und Chips. Um uns herum eine tolle Umgebung mit Trauben, unbekannten Früchten und Pflanzen.

Beim Abendessen. Das ein oder andere Detail der Vorspeise hat es leider wieder mal nichts auf das Bild geschafft. Heute gibt es ein Menü, ein wunderbar gebratenes Fischfilet. Dazu den oben beschriebenen Wein. Und zum Nachtisch einen spanischen Käsekuchen und als Absacker etwas Exotisches. Wir verbringen einen sehr schönen Abend im Restaurant des Anwesens, der Vater der Herbergsleute verbreitet mit seiner Art eine sehr nette Atmosphäre. Es wird spät, ein letztes ‚Rettchen‘ für meine Frau im Garten, dann gehen die Lichter aus. Es ist eines der schönsten Abende der Reise, für mich ein High-Light.


Wieder ein wunderschöner Tag, der Ausblick hoch vom Campingplatz auf die Strände links und rechts ist einfach irre. Die Straße schlängelt sich in Richtung Süden. Muschelsucher graben die Felsen, die bei Flut unter Wasser sind, ab. Mühevolle Arbeit, aber es sieht einfach sehr schön aus. Immer weiter entlang des Atlantiks in Richtung Portugal.


Wenn möglich werden die Halbinseln, die es hier zu Hauf gibt, abgefahren. Nehmen zwar viel Zeit in Anspruch, dafür ist die Landschaft einfach hinreißend. In der Nähe von Moana wird ist mal wieder das Überfahren einer großen Brücke angesagt.


Und nicht viel später wird die Grenze nach Portugal überquert. Nur ein kurzer Blick in den Perso und ich darf weiterfahren. Schnell noch etwas Geld gewechselt, die Pesos wandern in den dritten Beutel.

Bis nach Porto ist es nicht mehr weit, ein Campingplatz wird angefahren. Noch sehr leer, der Study am Eingang nimmt meine Daten auf. Ich kann mir den Platz selber aussuchen. Die Sonne scheint schon tief und es wird ein Platz mit Blick auf das Meer ausgesucht. Nachdem alles für die Nacht vorbereitet ist, röhrt ein Ducato WoMo auf den Platz, irrt etwas ziellos auf der Suche nach einem Platz herum. Hat er wohl, denn es nimmt Fahrt in Richtung meines Kombis auf, um dann knapp daneben zum Stehen zu kommen. Sie wären ja so froh einen Landsmann auf dem Platz gefunden zu haben und hätten sofort beschlossen, neben mir das Lager aufzuschlagen. Ah ja. Nachdem Vorzelt, Stühle, Tisch und weiter Utensilien unter lautem Gerede verteilt wurden, kamen die obligatorischen deutschen Bierdosen aus der Kühlbox auf den Tisch. Das war das richtige Signal, Heckklappe schließen, einsteigen und einen anderen schönen Fleck auf dem Platz suchen. Die Gesichter sprachen Bände. Kann man nicht wenigstens fragen, bevor man das U-Boot (so wird bei mir ein WoMos bezeichnet) direkt neben dem Fuß des Nachbarn platziert?